Jazzclub Biberach e.V.
Vorankündigung zum Programmschwerpunkt "Ladies in Jazz" im Herbst 2024:

Save the dates !!!

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Der Biberacher Jazzpreis ist ein international ausgeschriebener Preis für den Jazznachwuchs.

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12.04.2024: LAJAZZO – Landesjugendjazzorchester Baden-Württemberg

Frischer Wind in alten Sälen

LandesJugendJazzOrchester glänzt unter Thorsten Wollmann

BIBERACH – Zur Einstimmung in den Tag gab es für die Musikkurse des Pestalozzi-Gymnasiums bereits am frühen Vormittag einen Vortrag zur Jazzgeschichte und einen Basis-Workshop zu dessen harmonischen Grundlagen. Die Annäherung an die Geheimnisse von Improvisation und Arrangement erfolgte dann „in Riesenschritten“ mit John Coltranes „Giant Steps“ durch den diesjährigen Leiter des „LAJAZZO“, den ehemaligen PG-Schüler Thorsten Wollmann. Als Inhaber der Professur für Komposition/Arrangement sowie Bigband und Ensembleleitung am JIB, dem Jazzinstitut der Universität der Künste (UdK) in Berlin, animierte Wollmann die jungen Musikerinnen und Musiker des Auswahlorchesters während seiner gerade in Weikersheim beendeten Osterarbeitsphase beim Abendkonzert zu künstlerischen Höchstleistungen. Das vom Biberacher Jazzclub in Kooperation mit dem Pestalozzi-Gymnasium initiierte Konzert in der Aula der Gymnasien zog die musikalische Essenz aus dem seit zwei Jahren in ebendieser Besetzung als Bigband zusammenspielenden Orchester.

Die 22 jungen Musikerinnen und Musiker aus ganz Baden-Württemberg sind mittlerweile ganz offenkundig zu einem veritablen, semiprofessionellen Klangkörper zusammengewachsen. Präziser, knackiger Bigband-Sound, trotz akustisch schwieriger Räumlichkeit auch im Tutti optimal abgemischt, den teils atemberaubend virtuosen Solo-Improvisationen unterlegte, weiche, einfühlsame und stimulierende Begleitsätze, transparente Strukturen und überraschende Klangwechsel bei höchster rhythmischer Präzision ließen nichts anbrennen und die Herzen aller Bigbandfreunde merklich höherschlagen. Das hell begeisterte Publikum im gut aber leider doch nicht bis zum letzten Platz gefüllten Saal bedankte sich durch üppigen Zwischenapplaus sowie anfeuernde Rufe und Pfiffe bei den Solisten. Viele von ihnen dürften sich in den kommenden Jahren im Profilager wiederfinden.

Gleich vier Eigenkompositionen und vier Arrangements stammten aus der Feder des hochdekorierten Orchesterleiters, der in seiner Jugend ebenfalls in diesem Orchester spielte und den Landesjazzpreis erhielt. Besonders eindrucksvoll gerieten seine Version von Charlie Chaplins berühmtem Titel „Smile“ aus dem Film „Moderne Zeiten“, mit souliger Stimme einfühlsam interpretiert von Nora Bohra und, gemeinsam mit Vivien Zippert gesungen, die Wollmann’sche Jazzversion von J. S. Bachs berühmtem Choral „Jesus bleibet meine Freude“ (BWV 147). Das ungewöhnliche Arrangement bezauberte und ging buchstäblich unter die Haut. Es sorgte auch im neuen Gewand für einen Gänsehauteffekt und langanhaltenden Applaus. Ein weiteres Highlight war das „Japan Piece“ von Shiro Sagisu, effektvoll arrangiert und auf Japanisch gesungen von Vivien Zippert, die mehrere Jahre in Japan gelebt hat.

Neben den Kompositionen des Bandleaders waren es vor allem berühmte Standards aus der bald 100jährigen Jazzgeschichte, die das Programm prägten. „Hay Burner“ von Sammy Nestico, „Walking Tiptoe“ von Bert Joris oder „Willowcrest“ von Bob Florence, jeweils in den originalen Arrangements boten damit auch ausgezeichnetes pädagogisches Anschauungsmaterial und waren Basis für viele großartige Improvisationen. Von den Großen des Genres zu lernen, war wohl noch nie ein Nachteil. Aber auch Wollmanns Arrangement des James Bond Themas „Go, Go, Go Mr. Bond“, des berühmtem „Ol‘ Man River“ aus dem Musical „Showboat“ von Jerome Kern und Oskar Hammerstein oder die temperamentvolle R’n’B-Nummer „It’s Your Voodoo Working“ von Charles Sheffield ließen die Wogen der Begeisterung hochschlagen.

Als gelungene Überraschung darf auch die umjubelte Improvisationseinlage von Jochen Feucht gelten, der sich als renommierter Saxofonist und Komponist nicht nur deutschlandweit einen Namen gemacht hat und der ebenfalls in Biberach aufgewachsen ist. Als Dozent während der Arbeitstage in Weikersheim mit dem Saxofon-Satz befasst, fuhr er spontan zum Auftritt seiner Eleven in die alte Heimat. Dass er die Noten zu dem Stück erst eine halbe Stunde vor Konzertbeginn erhielt, dürfte niemandem aufgefallen sein. Neben der künstlerischen Inspiration, der hör- und sichtbaren Spielfreude der jungen Musikerinnen und Musiker dürfte auch der langanhaltende Schlussapplaus Lohn und Anerkennung für den anspruchsvollen „Nebenjob“ in deren Schul- oder Semesterferien gewesen sein.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

09.03.2024: Duo Schlesinger Lackerschmid

Jazz-Duo Schlesinger-Lackerschmid bei den Jazzbibern
Innig, entspannt und mit phänomenalem Tiefgang
BIBERACH – Nach acht langen Jahren endlich mal wieder in Biberach, konnte der in Ehingen aufgewachsene und weit gereiste Augsburger Komponist und Star-Vibrafonist Wolfgang Lackerschmid mit seiner Lebensgefährtin und Duo-Partnerin Stefanie Schlesinger vor vollem Hause im Jazzkeller seine alten Fans rundum begeistern und viele neue hinzugewinnen. Die Programmauswahl bot einen eindrucksvollen Querschnitt durch die Historie des gemeinsamen Œuvres mit einem Schwerpunkt auf lyrische Preziosen, jazzige Parodien von Opernarien und einen Rekurs auf Lackerschmids bedeutsame Zusammenarbeit mit Chet Baker und Ronnel Bey. Lackerschmids Gedichtvertonungen des Augsburgers Bert Brecht und die Vertonungen der teilweise recht deftigen Briefe des jungen Mozarts an sein Augsburger Bäsle Anna Thekla spielten dabei ebenso eine Rolle wie ungewöhnliche Neuauflagen alter Musicalsongs und ausgewählter Standards aus dem American Songbook.
Auch wenn sich das Wort „innig“ nicht mehr allzu häufig im heutigen Sprachgebrauch findet, gibt es kaum eine treffendere Umschreibung dessen, was bei der künstlerischen Umsetzung der musikalischen Intentionen des bestens aufeinander eingestimmten Duos zu hören war: eine aus tiefstem Herzen kommende, tief empfundene und dennoch reflektierte Emotionalität als Grundlage für eine subtile Interpretation äußerst sorgfältig und mit intellektuellem Scharfsinn gewählter literarischer Vorlagen. Eine Interpretation, der aufgrund der souveränen Beherrschung von Stimme und Instrument keinerlei technische Hürden im Wege standen, ließ die mit viel Raffinesse dargebotenen Stücke zu einzigartigen Erlebnissen oder gar Ereignissen werden und schlugen das Publikum augenblicklich in ihren Bann. Frappierend war vor allem die bei aller stilistischen Bandbreite gleichermaßen hochkarätige Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Sujet. Ansprechend und anspruchsvoll gehen bei diesem Duo hör- und sichtbar Hand in Hand.
Ob traditionelle Jazzballaden wie Sinatras „Angel Eyes“ oder Monks „Round Midnight“ plötzlich harmonisch entkernt oder im ungewohnten 5/4-Takt erschienen, ob sich die Arie des Pagen Cherubino „Non so più cosa son, cosa faccio“ aus Mozarts „Le Nozze de Figaro“ in eine jazzige Persiflage verwandelte, Doris Days herzergreifendes „Secret Love“ sich neben Chet Bakers und Wolfgang Lackerschmids melancholisch verhauchtem „Why shouldn’t you cry“ und dem bevorzugten Gute-Nacht-Song des gemeinsamen Sohnes „Cheek to cheek“ wiederfand, steckte in der abwechslungsreichen Abfolge doch eine durchdachte Dramaturgie. Und obwohl viele der Kompositionen ursprünglich für meist größere Besetzungen geschrieben wurden, schienen sie in der Duo-Besetzung noch an Intensität zu gewinnen. Die wandlungsfähige und ausdrucksstarke, auch klassisch gebildete Singstimme von Stefanie Schlesinger hatte daran maßgeblichen Anteil. Selbst gelegentliche Scat-Einlagen als Imitation von Chat Bakers Trompeten-Improvisationen kamen rundum überzeugend und stilsicher. Ihre Interpretation von Lackerschmids „One more Life“, im Original von 1991 gesungen von der Afroamerikanerin Ronnell Bey und gerade als bester Filmsong für das Cannes World Film Festival nominiert, braucht sich hinter dem Gänsehaut erzeugenden Original nicht zu verstecken. Wolfgang Lackerschmids Begleitung am Vibrafon oder gelegentlich auch am Flügel erschien organisch mit der gleichermaßen natürlichen und kultivierten Singstimme Schlesingers verwachsen.
Langanhaltender Applaus, mehrere Zugaben und ein Rückstau am CD- und LP-Verkaufsstand veredelten einen gediegenen Konzertabend voll erfüllter Augenblicke und ganz ohne Effekthascherei. Die Wartezeit auf das nächste Konzert mit den beiden Künstlern sollte nicht allzu lange ausfallen.
Text und Fotos: Helmut Schönecker